Hashimoto-Thyreoiditis und jodiertes Speisesalz

Prof. Dr. Stephan Petersenn

ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie, Hamburg. 

Der Jodbedarf von Jugendlichen und Erwachsenen beträgt etwa 150-200 ug/Tag. Zum Ausgleich wird die ausschließliche Verwendung von jodiertem Speisesalz empfohlen - hierdurch wird die empfohlene Jodaufnahme in der Regel nicht überschritten.
Bei Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis kann eine deutlich höhere Dosierung von über 300 ug/Tag möglicherweise zu einer weiteren Aktivierung der Erkrankung führen. Daher sollten die Patienten vorsorglich auf die Einnahme von Jodtabletten und algenhaltige Substanzen mit hohem Jodanteil verzichten - die Einnahme von jodiertem Speisesalz wird dagegen als unbedenklich angesehen.
In der Schwangerschaft sollte aber auch Patientinnen mit Hashimoto-Thyreoiditis eine Jodsupplementation in Form von Jodtabletten (150-200ug ) angeboten werden, da ein milder mütterlicher Jodmangel zu kognitiven Entwicklungsstörungen beim Kind führen kann.

Referenzen:

[1] Duntas L. The Role of Iodine and Selenium in Autoimmune Thyroiditis. Hormone and Metabolic Research. 2015;47:721-726.

[2] Hu S, Rayman MP. Multiple Nutritional Factors and the Risk of Hashimoto’s Thyroiditis. Thyroid. 2017;27:597-610.

[3] Rayman MP. Multiple nutritional factors and thyroid disease, with particular reference to autoimmune thyroid disease. Proceedings of the Nutrition Society. 2019;78:34-44.

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Reizthema Cortison - Wundermittel oder Teufelszeug? Sicht des Endokrinologen

Prof. Dr. Stephan Petersenn

ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie, Hamburg. 

Glukokortikoide besitzen einen wichtigen Stellenwert bei der Behandlung von entzündlichen und malignen Krankheitsbildern sowie von Autoimmunerkrankungen. Dabei werden in der Regel supraphysiologische Dosierungen eingesetzt. Die Kenntnis der Nebenwirkungen ist Voraussetzung für deren frühzeitige Diagnose sowie von Strategien zur Minimierung. Endokrinologische Krankheitsbilder mit einer unkontrollierten Erhöhung des Cortisol-Sekretion geben uns hierbei wichtige Hinweise. Gleichzeitig ist die bedarfsadaptierte physiologische Ausschüttung von Cortisol von vitaler Bedeutung für den Organismus, wie uns endokrinologische Erkrankungen mit einem Mangel an Cortisol lehren. Die Wahrnehmung entsprechender Symptome ist besonders bei der Beendigung einer Glukokortikoid-Therapie bedeutsam.Aus Sicht des Endokrinologen ergeben sich drei wichtige Schnittstellen bei der interdisziplinären Betreuung von Patienten unter Therapie/Substitution mit Glukokortikoiden:


1. Probleme einer Cortison-Therapie - was können wir von der Natur lernen?

Abhängig von Schweregrad und Dauer eines endogenen Cushing-Syndroms entwickeln sich Stoffwechselstörungen (Adipositas, Diabetes mellitus), Infektionen, Hautveränderungen (Striae, Hämatomneigung), Funktionsstörungen der Gon

aden (Amenorrhoe, Infertilität), sowie kardiovaskuläre (Hypertonus, Atheriosklerose, Thromboembolien), muskuloskelettale (Muskelschwund, Osteoporose) und psychiatrische (Depression, Angststörungen) Erkrankungen, verbunden mit einer erhöhten Mortalität. Eine aktuelle Registerstudie aus Schweden zu Patienten mit Morbus Cushing belegt eindrucksvoll das erhöhte Risiko für Insult (SIR 5x), Thrombosen (SIR 13x), Lungenembolien (SIR 24x), und Sepsis (14x) im Zeitraum von Diagnose bis zu einem Jahr nach Remission [1]. Besorgniserregend bleibt das Risiko für diese Erkrankungen auch in der Langzeitremission statistisch signifikant erhöht. Entsprechend sollten Patienten zu Beginn einer Glukokortikoidtherapie bezüglich entsprechender Risikofaktoren untersucht und ggf. präventive Maßnahmen eingeleitet werden, einschließlich der Prüfung des Impfstatus.








2. Ausschleichen einer Cortisontherapie - Schritt für Schritt!

    Exogen zugeführte Glukokortikoide können unter anderem abhängig von der spezifischen Aktivität des Präparats, der Wirkdauer, der Dauer der Behandlung, der Art der Applikation (oral, intravenös etc.) sowie der Dosisverteilung über den Tag zu einer Hemmung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse(HPA-Achse) führen. Ab einem Äquivalent von 30mg Hydrocortison (entsprechend 7,5mg Prednison bzw. 1,125mg Dexamethason) pro Tag wird die physiologische Ausschüttung von Cortisol überschritten. Eine derartige suppressive Glukokortikoid-Therapie über mehr als 2 Wochen darf nicht abrupt abgesetzt, sondern muss langsam ausgeschlichen werden. Ein möglicher Ansatz ist die relativ zügige Senkung auf eine physiologische Dosierung, ggf. mit folgendem Wechsel auf eine Äquivalenzdosis des kurzwirksamen Hydrocortison. Die Beendigung der Therapie erfolgt dann abhängig von morgendlichen Cortisol-Spiegeln und/oder dem Ergebnis von Stimulationstesten unter deutlich langsamerer weiterer Dosisreduktion [2]. In dieser Phase muss bis zum Beweis einer wiedererlangten normalen Funktion der HPA-Achse bei besonderen Stresssituationen (Fieber, Infektionen etc.) eine Erhöhung der Substitution erfolgen.


    3. Cortison bei einer Nebenniereninsuffizienz - niemals absetzen!

      Erkrankungen von Hypothalamus, Hypophyse oder Nebenniere können zu einer unzureichend niedrigen Ausschüttung von Cortisol führen – ähnlich wie bei einem zu schnellen Ausschleichen einer Glukokortikoidtherapie. Die Patienten beklagen vermehrte Müdigkeit, Leistungsverlust, Gefühl von Hypoglykämien, gastrointestinale Beschwerden, unklaren Gewichtsverlust und verschiedene psychiatrische Störungen. Eine unzureichende Substitution insbesondere in Situationen von erhöhtem Bedarf (Fieber, schwere Erkrankungen, Eingriffe, schweren Stresssituationen) oder bei gestörter Resorption (Erbrechen, Diarrhoen) kann zu einer akuten und lebensbedrohlichen Nebennierenkrise führen. Entsprechende Erfahrungen gaben 42% der Patienten an [3]. Eine Befragung endokrinologischer Zentren in Deutschland ergab ein sehr heterogenes Bild für die Patientenbetreuung [4]. Aus diesem Grund hat die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie ein Schulungsprogramm für Patienten entwickelt, dass zu einer relevanten Verbesserung der Patientenkenntnisse führte [5]. Leider zeigen tägliche Erfahrungen, dass langfristige Substitution und vorübergehende Therapie immer wieder verwechselt werden – mit fatalen Konsequenzen.









      [1] Papakokkinou E et al. Excess Morbidity Persists in Patients With Cushing’s Disease During Long-term Remission: A Swedish Nationwide Study. J Clin Endocrinol Metab 2020;105:2616-24.

      [2] Hopkins RL, Leinung MC. Exogenous Cushing’s syndrome and glucocorticoid withdrawal. Endocrinol Metab Clin North Am 2005;34:371-84, ix.

      [3] Hahner S et al. Epidemiology of adrenal crisis in chronic adrenal insufficiency: the need for new prevention strategies. Eur J Endocrinol 2010;162:597-602.

      [4] Petersenn S et al. National German Audit of Diagnosis, Treatment, and Teaching in Secondary Adrenal Insufficiency. Horm Metab Res 2017;49:580-8.

      [5] Burger-Stritt S et al. Standardised patient education in adrenal insufficiency: a prospective multi-centre evaluation. Eur J Endocrinol 2020;183:119-27.

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